Gut ist, dass schon bald nach dem Beschluss von der damaligen Kulturstaatsministerin, Frau Monika Grütters, 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden, um eine Wanderausstellung zu erstellen, in der exemplarische Biografien der so lange verleugneten NS-Verfolgten erstellt werden. Mit positiven Erwartungen wird sich unser Verband die wahrscheinlich 2024 erstmals der Öffentlichkeit präsentierte Ausstellung anschauen und diese dann auch kommentieren.
Der Bundestagsbeschluss hat auch bewirkt, dass sich in der Folge bei den Initiatorinnen und Initiatoren Menschen gemeldet haben, die als Nachkommen der Verleugneten das Interesse bekundeten, einen Verband zu gründen. Dabei ging es zunächst vor allem um das Bedürfnis, sich mit in gleicher Weise Betroffenen auszutauschen, die – oft problembeladenen – innerfamiliären Diskurse zu vergleichen und auf Recherchewege zum Schicksal des jeweiligen Vorfahren aufmerksam zu machen.
Ines Eichmüller war es dann, die Frank Nonnenmacher anlässlich eines Vortrages im Februar 2022 in Fürth davon überzeugte, dass die Zeit reif sei, einen Verband für das Erinnern an die Verleugneten zu gründen. Die „Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft – EVZ“ stellte auf unseren Antrag hin Fördermittel zur Verfügung, um die Gründungsversammlung und die Gründungskosten zu finanzieren. Ein schönes und wichtiges Zeichen einer Stiftung des Bundes nach so vielen Jahren ausgebliebener Entschädigung.
Mit der freundlichen und solidarischen Mithilfe des Nürnberger interkulturellen Arbeiter- und Jugendvereins „Junge Stimme“, der als gemeinnütziger Verein die Fördermittel entgegennehmen durfte und für uns abrechnete, konnten wir dann am 21./22. Januar 2023 einen Gründungskongress in Nürnberg durchführen. Die Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus gGmbH hieß die Nachkommen und wenigen geladenen Gäste in ihren Räumen willkommen und unterstützt(e) die Gründung ebenfalls tatkräftig – u.a. ist der Sitz des Vereins daher in Nürnberg und die Postanschrift die des „CPH“.
Zur Gründungsversammlung waren nur Menschen aufgerufen, die selbst oder deren Vorfahren oder Verwandte im KZ den schwarzen oder grünen Winkel tragen mussten oder ähnlich von den Nazis in die Kategorien „asozial“ oder „berufskriminell“ einsortiert wurden.
In dem nun gegründeten Verein können alle Menschen Mitglied werden, welche die Vereinsziele teilen.
Neben den oben bereits genannten Zielen wurde beschlossen, dass der Verband auch öffentlich aktiv werden soll. Zu kritisieren ist nämlich, dass bis auf die vom Bundestag beschlossene Wanderausstellung wesentliche Teile des Bundestagbeschlusses vom Februar 2020 bis heute nicht umgesetzt sind. Denn damals wurde auch beschlossen, systematische „Forschungsaufgaben zu finanzieren, um das Schicksal der von den Nationalsozialisten als ‚Asoziale‘ und ‚Berufsverbrecher‘ Verfolgten weiter aufzuarbeiten“ sowie Forschungsarbeiten zu „der noch wenig erforschten Rolle der beteiligten Verfolgungsinstanzen finanziell zu fördern“.
Unser Verband wird in diesen Punkten nicht nachlassen, auch öffentlich an die Verpflichtung der jeweiligen Bundesregierung zu erinnern, den Bundestagsbeschluss vom Februar 2020 durch Bereitstellung der entsprechenden Haushaltsmittel umzusetzen.
Wir werden auch die Frage öffentlich stellen, wie denn der Bundestag die Selbstverpflichtung erfüllen wird, die so lange verleugneten Opfergruppen „zukünftig stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und ihnen einen angemessenen Platz im staatlichen Erinnern zu verschaffen“. Bisher jedenfalls waren in den Gedenkstunden des Deutschen Bundestages zum 27. Januar die Verleugneten noch nie im Mittelpunkt. Auch ein zentrales Mahnmal, das es für andere Opfergruppen – auch andere erst verspätet anerkannte – längst gibt, ist noch nicht einmal in der Diskussion.
Ein eigener Beitrag unseres Verbandes, die verleugneten NS-Opfer ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, besteht in einem Buchprojekt, das im Frühjahr 2024 im Campus-Verlag erscheinen wird: Zwanzig Nachkommen von Menschen, die von den Nazis als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ diffamiert, erniedrigt, gequält und zum Teil ermordet wurden, erzählen von ihrem jeweiligen Vorfahren, aber auch von der anhaltenden Ausgrenzung nach 1945.